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Einer der Pioniere der modernen Hypnotherapie ist der amerikanische Psychologe und Facharzt für Psychiatrie Milton H. Erickson. Auf ihn gehen die meisten gängigen Verfahren dieser Behandlungsform zurück, die seit den 1950er Jahren als wissenschaftlich anerkannte Methode gilt. Im Mittelpunkt der Hypnotherapie steht das Unterbewusstsein des Patienten. Dabei unterscheidet man drei verschiedene Bereiche: Das Wissen, das zwar im Denken verfügbar ist, aktuell jedoch nicht bewusst, also unbewusst ist. Das unterbewusste Wissen, das sich ständig erweitert durch alles, was der gesamte Organismus ununterbrochen mit allen Sinnen aufnimmt.
Das unbewusste Wissen, das im Kern jeder Zelle als Erbinformation gespeichert ist und auch als „Wissen der Evolution“ bekannt ist. Darunter versteht man auch unbewusste Instinkthandlungen, beispielsweise wenn Gefahr „gewittert“ wird. Die Methode, um die Zusammenarbeit von Bewusstem und Unbewusstem zu intensivieren und nutzen zu können, ist die Trance. Unterschiedliche Wege führen dorthin: Tagträume, sich völlig auf eine Sache konzentrieren – ähnlich wie während einer Meditation – sich körperlich und geistig entspannen. Es ist aber auch möglich, mit rhythmischer Aktivität diesen Bewusstseinszustand zu erlangen. Sei es mit Musikhören oder selbst Musizieren, mit Trommeln, Tanzen und nicht zuletzt mit Sport. Das Gefühl der Trance kennt jeder Mensch: Denn jeder geht mehrmals täglich, ohne es bewusst zu registrieren, in diesen Bewusstseinszustand. Beispielsweise wenn er lästige Routinearbeiten, wie den täglichen Abwasch erledigt und die Gedanken in dieser Zeit auf Reisen schickt.
Interessant: Kreative Menschen setzen Trance ganz spontan ein, wenn sie vor einer Aufgabe stehen, die logisches Denken alleine nicht lösen kann. Entspannen, ruhig atmen, sich auf das konzentrieren, was im Moment geschieht, kennzeichnen diesen Zustand. Hirnforscher haben mittlerweile herausgefunden, was in diesem Trancezustand in der menschlichen Schaltzentrale passiert: Das Gehirn verbraucht nachweislich mehr Glukose und arbeitet auf einem höheren Energieniveau als im Wachzustand. Die normalerweise besonders aktive, sprachliche Hirnhälfte wird ruhiger, die weniger benutzte dagegen aktiver. Linke und rechte Hirnhälfte synchronisieren miteinander und tauschen wesentlich mehr Informationen aus als vorher. Gerade die Verknüpfung beider Gehirnhälften spielt aber eine entscheidende Rolle, wenn es um kreative Denkprozesse und Lösungen geht. Während der Trance befindet sich der menschliche Geist also in einem besonders kreativen und aufnahmenbereiten Zustand. Sätze, die der Therapeut jetzt formuliert, und komplexe Bilder, die er beim Patienten auslöst, wirken nun als Suggestionen, die den Lernprozess unterstützen und helfen, das angestrebte Ziel zu erreichen.
Suggestionen können sich auf ganz begrenzte Sachverhalte oder Lernschritte beziehen. Suggestionen können sich aber auch gezielt auf eine Situation richten, wie beispielsweise auf die Vorstellung von sich selbst als schlankerem, aktiveren Menschen. Hypnose ist übrigens eine Methode, die bereits vor Urzeiten praktiziert wurde – und von Urvölkern auch heute noch praktiziert wird. Das „Besprechen“ von Gürtelrose gehört dabei ebenso in diesen Bereich wie die Rauch-Rituale der nordamerikanischen Indianer. Dazu mussten sich junge Männer an der Schwelle zum Erwachsenwerden mehrere Tage in einer speziellen Höhle aufhalten; die Erlebnisse, die sie dort durch eine Form der Selbsthypnose erfahren hatten, galten als Wegweiser für ihre Zukunft.
In der Antike arbeiteten Heiler und Priester mit hypnotischen Tranceritualen, um Weissagungen abzugeben, aber auch, um Körper und Geist zu heilen. Im antiken Griechenland und im Römischen Reich versetzten Priester Hilfesuchende in den so genannten „Tempelschlaf“. Dabei durchliefen sie verschiedene Rituale, durch die sie in einen Zustand der Trance gelangten. Das machte sie besonders empfänglich für therapeutische Suggestionen. Noch heute ist die Trance in verschiedenen Religionen, etwa dem Hinduismus, ein fester Bestandteil. Fakire nutzen sie beispielsweise, um gegen Schmerz unempfindlich zu sein – was erklärt, wie sie über glühende Kohlen wandern oder auf Nagelbetten ruhen können.
von Andrea Rink