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Die Hochburg des Karnevals auf Teneriffa ist zweifelsohne die Hauptstadt Santa Cruz. Doch auch in anderen Teilen der Insel, wie La Orotava, Puerto de la Cruz, Icod de los Vinos, Tacoronte im Norden und Los Gigantes und Los Cristianos im Süden hat der Karneval Tradition. Übrigens: Der Kalender spielt dabei nur eine zweitrangige Rolle. Denn einzig Santa Cruz orientiert sich mehr oder weniger an der offiziellen Karnevalswoche. Der große Faschingsumzug findet dort immer am Faschingsdienstag statt. Allerdings am Aschermittwoch ist noch lange nicht alles vorbei, sondern vielerorts fängt das Treiben dann erst richtig an. Um sich gegenseitig nicht in die Quere zu kommen, feiern die verschiedenen Ortschaften zu unterschiedlichen Zeiten. Das Schlusslicht bilden in der Regel die Südgemeinden, in denen der Karneval quasi kurz vor Ostern zu Ende geht.
Die Königin des Karnevals
Die absolute Herrscherin über das kanarische Karnevalsvolk ist die „Reina del Carnaval“ von Santa Cruz. Viele Mädchen aus allen Teilen der Insel träumen davon, einmal diese Krone zu tragen. Designer geben ihr Bestes um das ultimative Siegerkostüm zu entwerfen. Gesponsert werden die Anwärterinnen und deren Kostüme von privaten und öffentlichen Unternehmen. Wichtig zu wissen ist, dass es ausnahmsweise nicht um die Schönheit der Königin geht, sondern um das schönste Outfit. Was natürlich nicht heißt, dass die jungen Anwärterinnen keine Augenweide wären. Die Canarios stehen in puncto Kostüm erfahrungsgemäß auf pompösen Glamour und Glitter. Je mehr es funkelt, umso größer der Applaus, wenn die Königin-Anwärterinnen über die Bühne „fahren“ und schreiten. Ihre bis zu 60 und mehr Kilo schweren Kostüme bestehen aus gigantischen Aufbauten und sind mit Rollen versehen. Allein mit den Bauch- und Beinmuskeln der Schönheiten setzen sie sich in Bewegung. Was also leichtfüßig aussieht, ist in Wirklichkeit eine enorme Kraftanstrengung. Allein der Kopfschmuck wiegt oft mehrere Kilogramm. Der Besuch eines Fitnessstudios um sich auf diese Aufgabe vorzubereiten, ist daher üblich. Der berühmte Karnevalsumzug wird von allen Anwärterinnen gestaltet, wobei die amtierende Königin an der Spitze ist. Dieses Mal hat sie es allerdings einfacher, denn für den Umzug werden die Damen mit ihren kunstvollen Kostümen auf geschmückten Wagen präsentiert. Begleitet werden sie von den zahlreichen Karnevalsgruppen, traditionellen Einzelfiguren, wie zum Beispiel Charlie Chaplin, Michael Jackson oder Miss Piggy und natürlich von der närrischen Menge.
Übrigens: nicht nur in Santa Cruz, sondern in allen Faschingshochburgen werden Königinnen gewählt. Nur die Kostüme fallen nicht ganz so glamourös aus, wie in der Hauptstadt.
Murgas, Komparsen & Co.
Eine kleine Begriffserklärung ist vielleicht vonnöten, wenn man die einzelnen Etappen des Karnevals verstehen möchte.
„Murgas“ sind Gesangsgruppen, die in bunten Kostümen satirische Texte zu populären Melodien singen. Sie sind übrigens das einzige politisch angehauchte Element des kanarischen Karnevals. Nur sie nehmen die aktuelle Politik und nicht selten auch mal die Eigenheiten der Ausländer und Touristen aufs Korn. In der Bevölkerung erfreuen sich die Murgas einer großen Beliebtheit.
„Comparsas“ – die feurig heißen Tanzgruppen – tänzeln im Salsa- und Sambaschritt durch die Straßen. In Wettbewerben werden die schönsten Choreographien prämiert. Die meisten Gruppen nehmen als geladene Gäste auch an Umzügen in anderen Orten teil. Das Schöne dabei ist, dass getanzt wird solange die Füße tragen. Es regiert kein Jugendwahn, sondern ein Karnevals-Rhythmuswahn. So kommt es, dass schon Kinder die ersten Tanzschritte mit ihren Eltern versuchen und auch die tanzenden Großeltern noch gefragt sind. Oft wird die Begeisterung für die Karneval-Samba innerhalb der Familie von Generation zu Generation weitergegeben.
Die „Beerdigung der Sardine“ ist ein weiteres traditionelles Element, das zum Karneval auf Teneriffa gehört. Sardinen oder andere Fische aus Pappmaché, deren Körper mit Feuerwerkskörpern gefüllt ist, werden als Symbol für das Ende des Karnevals zu Grabe getragen. Eine Schar trauernder Witwen, die oft auch männlicher Natur sind, begleiten mit lautem Geschluchzte und Geheule die Symbolfigur. Am Ende der Prozession löst sich die Sardine standesgemäß in Feuerwerk und Rauch auf. Danach gibt es in der Regel Tanz. Obwohl dieser Akt eigentlich das Ende bedeutet, geht es in manchen Orten danach dennoch mit weiteren Karnevalsprogrammpunkten weiter. Also auch das darf man nicht so tierisch oder „fischig“ernst nehmen.
Lokale Kuriositäten
Murgas, Komparsen, Salsa und Samba, Königinnen und Sardinen sind die traditionellen Elemente des kanarischen Karnevals. Darüber hinaus haben sich aber auch lokale Besonderheiten herauskristallisiert, mit denen man sich absetzt.
In Santa Cruz gehört zum Karnevalstreiben zum Beispiel ein riesiger Rummelplatz, auf dem man sich zusätzlich zwischen Riesenrad, Geisterbahn und rasanten Karussellen vergnügen kann. Außerdem wurde vor einigen Jahren der „Carnaval de día“ eingeführt. Dann füllen sich die Straßen der Innenstadt am Tag zu einem bunten Fest für die ganze Familie. Diese Initiative fand so viel Anklang, dass sie seither fester Bestandteil ist.
In Puerto de la Cruz ist der Lauf auf Stöckelschuhen, „Mascarita ponte tacón“ ein unbestrittenes Highlight. Zu diesem speziellen Wettlauf füllen sich die Straßen mit Zuschauern, die sich prächtig amüsieren. Das Besondere ist nämlich, dass nur Männer ab 18 Jahren teilnehmen können und dabei ein Mal im Jahr stöckelnd auf acht bis zwölf Zentimeter hohen Absätzen durchs Leben schreiten beziehungsweise stolpern. Damit es noch ein bisschen schwieriger wird, befinden sich auf der Rennstrecke auch noch kleine Hindernisse, die gemeistert werden müssen. Für das Publikum ist allein der Anblick, der oft sehr phantasiereichen Kostüme, von der Edelhure bis zum wandelnden Wischmopp, ein Vergnügen. Natürlich freut sich vor allem die Damenwelt, wenn die Herren der Schöpfung auch einmal unter der Qual hoher Pumps leiden. Allerdings bewegen sich einige Herrlichkeiten tatsächlich so sicher auf hohem Fuß, dass so manche sogar neidisch wird. Eine weitere Besonderheit ist der Besuch des Prinzenpaars aus Düsseldorf mit ihrem Gefolge und deutscher Musikkapelle. Im letzten Jahr feierten die Rheinländer 25-jähriges Teneriffa-Karnevals-Jubiläum. Dieser Brauch hat sich etablieren können, weil der Karneval in Puerto de la Cruz nach der eigentlichen Karnevalswoche gefeiert wird. Wenn in Deutschland die Aschermittwochs-Glocken das Ende verkünden, begeben sich die Hoheiten aus Düsseldorf auf die Reise, um auf Teneriffa weiter zu feiern. Ebenfalls Tradition ist ein Empfang der deutschen Delegation im Loro Parque.
Aus der afrokubanischen Tradition stammt „Matar la Culebra“, (Tötet die Schlange). Am Tag der Könige führte man diesen „Tanz“ in Havanna auf. Eine Gruppe Schwarzer tanzt zu Trommelschlägen um die Schlange, um sie in einem kuriosen Ritual mit der Figur des heiligen Antonius und einem Kreuz zu töten. Die Schlange symbolisiert das Böse und die unterdrückende Macht eines Sklavensystems. In Kuba spiegelt dieses Ritual die Abschaffung der Sklaverei wider. Diese Tradition wurde im 19. Jahrhundert durch ehemalige Auswanderer nach Teneriffa gebracht. Zelebriert wird sie nur noch zum Karneval in Puerto de la Cruz.
In Icod de los Vinos, dem Weinstädtchen, weiß man ebenfalls bestens Karneval zu feiern. Dort gehört die Hochzeit des „Don Carnal“ mit seiner Angebeteten zu den Highlights. Getraut wird das lustige Paar vom Bürgermeister und die Witze, die dabei gerissen werden, sind nicht immer „jugendfrei“.
Karneval auf anderen Inseln
Die Königin des Karnevals auf den Kanaren ist unbestritten Teneriffa. Das heißt aber nicht, dass auf anderen Inseln nicht gefeiert wird. Oft sieht das allerdings ganz anders aus. Auf Gran Canaria zum Beispiel hat der Karneval weniger Gewichtung, wird aber dennoch mit Umzügen und Tanzveranstaltungen gefeiert. Ein wichtiges Highlight ist dort die große Gala zur Wahl der „Drag-Queen“.
Ganz anders feiern die Palmeros auf La Palma ihren Karneval. Hier steigt am Rosenmontag in der Hauptstadt Santa Cruz und am Faschingsdienstag in Los Llanos de Aridane der „Dia de los Indianos“. Das Karnevalstreiben auf La Palma ist nicht bunt, sondern hüllt sich ganz in Weiß. Man trägt vom Kopf bis Fuß weiße Outfits, Panamahut oder ausladende Damenhüte und in den Händen eine dicke Schatztruhe oder protzende prall gefüllte Geldbörsen. Begleitet werden die eleganten Herren und Damen von einer Schar schwarz gefärbter Sklaven. Der Ursprung dieses speziellen Karnevals ist auf die ehemaligen palmerischen Auswanderer zurückzuführen. Viele wanderten vor rund drei Jahrzehnten nach Kuba, Venezuela oder in andere südamerikanische Länder aus. Sie flohen aus der Armut der Kanareninsel und kehrten nicht selten als „Self-made-Wohlhabende“ zurück. Teilweise legten sie dabei eine rechte Arroganz an den Tag und wurden deshalb von ihren Landsleuten als „Indianos“ bezeichnet. Schließlich glaubte Kolumbus ja ursprünglich Indien entdeckt zu haben. Während der närrischen Tage macht man sich über dieses Kapitel der palmerischen Geschichte lustig. Dabei begnügt man sich nicht nur mit der weißen Kleidung, sondern traditionell wird alles mit weißem Babypuder beworfen, was sich bewegt. Die Kleidung, Haare, Straßen – einfach alles verschwindet dann unter einer Puderschicht. Deshalb die Empfehlung für alle Gäste: Bloß keine guten Klamotten anziehen, und am besten schüttet man sich „zur Tarnung“ einfach selbst das Puder über den Kopf. Am Ende des Tages pudert man nämlich so oder so, ob man will oder nicht.
Wo und wie auch immer der Karneval auf den Kanaren gefeiert wird, man teilt ihn gerne mit Besuchern aus aller Welt. Er hält auf jeden Fall, was er verspricht – eine völlig losgelöste Zeit voller purer Lebenslust.
von Sabine Virgin