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Wieder entdeckte Töpferkunst
In ihren Händen entstand die traditionelle Keramik (cerámica popular), wie sie überliefert wurde und auch heute noch hergestellt wird. Von ihr lernten Ramón und Vina die technischen Grundlagen und die verschiedenen Formentypen der Gefäße, spezialisierten sich aber bereits seit 1975 auf die Herstellung prähispanischer Töpferware (cerámica aborigen), d.h. fertigten Repliken nach der Vorlage von über 160 archäologischen Originalen an, die an verschiedenen Stellen auf La Palma gefunden wurden, wie z.B. in der Cueva del Tendal (San Andrés y Sauces) oder der Cueva de Belmaco (Mazo). Vor über 30 Jahren war eine Idee geboren worden und heute ist die Werkstätte „El Molino“ von La Palma nicht mehr wegzudenken. Hier werden originalgetreue Keramikrepliken hergestellt und auch zum Verkauf angeboten. Mit dem beachtlichen Beitrag, die Erinnerung an die Kultur der Ureinwohner La Palmas (Benahoaritas) wach zu halten, ist die Arbeit von Ramón und Vina zu einem wichtigen Begleiter der archäologischen Forschung auf dieser Insel geworden. In der Keramikwerkstätte „El Molino“, die ein kleines Museum beherbergt und von einem schönen Garten umgeben ist, hat man die Möglichkeit, den Töpfern bei der Arbeit zuzuschauen und sich den Herstellungsvorgang erklären zu lassen. Anhand der Keramikbeispiele in den Regalen des kleinen Museums bekommt man einen Anschauungsunterricht über die Entwicklung bezüglich Form und Dekor der einzelnen Phasen (I, II, IIIa, IIIb, IIIc, IIId, IVa und IVb). Für die Herstellung dieser Repliken spielen Farbe, Form und Dekor, der durch die so genannte Kerb- bzw. Ritztechnik entsteht, eine wichtige Rolle. Bei der Verarbeitung des Materials ist es von Bedeutung, den richtigen Ton zu finden. Ramón und Vina formen aus dem mit Sand vermischten Ton aus dem Norden der Insel die Gefäße und zwar ohne Töpferscheibe, denn diese war nie auf die Kanarischen Inseln gelangt. Die Ureinwohner kannten nur die Aufbautechnik, bei der Tonwulst auf Tonwulst gelegt, mit den Fingern seitlich verstrichen und schließlich hochgezogen wird. Die Seitenwände werden sorgfältig geglättet und nach dem Trocknen der Töpferware an der Luft schabt man Ecken und Kanten mit einer Metallklinge ab und danach wird das Gefäß mit Wasser und einem Kieselstein grob geschliffen. Im nächsten Schritt werden die Gravuren eingeritzt (Kerbtechnik) und mit einem feinen Kieselstein glänzend poliert. Wenn die Tonwaren trocken sind, werden sie bei einer Temperatur von bis zu 700°C im Ofen gebrannt. Die typische schwarze Farbe erhalten die Töpferwaren durch Reduktion, d.h. durch Verringerung von Temperatur und Sauerstoff. Bei den Ureinwohnern wurde die Töpferware noch in Erdgruben gebrannt, in die man diese schichtete, dann mit Erde bedeckte und schließlich darüber ein Feuer machte. Diesen Verbrennungsvorgang nannte man „quemas a cielo abierto“.
Nicht nur für das Verdienst, vergessene altkanarische Töpferkunst wieder zum Leben zu erwecken, sondern auch für die präzise und professionelle Arbeit der Keramikrepliken wurden Ramón und Vina mit etlichen Preisen und Auszeichnungen gewürdigt.
In Ausstellungen auf La Palma, Lanzarote, Teneriffa und sogar in den Vereinigten Staaten (Miami) konnte man die keramischen Kostbarkeiten, die naturgetreu nach archäologischen Originalen entstanden sind, bewundern. Die erste Ausstellung fand an der „Bajada de la Virgen de las Nieves“ 1975 in Santa Cruz de La Palma statt – ein Umstand, der sicher dazu beitrug, dass die Schutzpatronin der Insel auch Ramón und Vina bei ihrem bewundernswerten Lebenswerk eine ganze Generation lang begleitete.
Keramikwerkstätte „El Molino“ – Villa de Mazo (La Palma) – Monte Pueblo 30 – Tel. 922 440 213 – Öffnungszeiten: Mo-Sa 9.00-13.00 Uhr und 15.00-19.00 Uhr.
Von Cornelia Bertram