|
Jeder kann Bewertungen abgeben
Die nächste Internetfalle sind die zahlreichen Reiseplattformen, wie Trivago und Co., die wie Pilze aus dem Netz sprießen und auf denen sich jeder „auslabern“ kann, der das Bedürfnis dazu verspürt. Meist sind es die Unzufriedenen und selbst ernannten „Kritiker“, die sich auf diesen Plattformen tummeln und viel Schaden anrichten können. Was als objektive Meinung erscheint, ist oft nichts weiter, als eine subjektive Momentaufnahme. „Es gibt einige sehr unfaire Beurteilungen, die auf kleinen Details beruhen, die nicht wirklich die Qualität eines Hotels reflektieren. Kritik von Gästen kann und sollte konstruktiv sein und ernst genommen werden, wenn es um den Service, das Gebäude oder Unterkunftskriterien geht. Aber nicht, wenn es einfach nur Kritik, um der Kritik willen ist oder weil jemand etwas als störend empfindet, was andere Gäste vielleicht sogar positiv bewerten“, gibt der palmerische Vizepräsident des Hotelverbandes Ashotel und Direktor einer großen Ferienanlage, Álvaro de la Bárcena, zu bedenken. Seiner Erfahrung nach werden dann von Reiseportalen oftmals, aufgrund unqualifizierter Bemerkungen, schlechtere Bewertungen vergeben, die dann für den einzelnen Geschäftsmann durchaus zu einem großen Problem werden können. Egal ob eine Kritik gerechtfertigt ist oder nicht, sie bleibt im Internet bestehen. Aber wo bleibt das menschliche Element? Ja, vielleicht war das Essen schlecht oder der Service unfreundlich, aber ist das wirklich immer so? Oder hat der Koch vielleicht gerade schlecht geschlafen und der Kellner eine Ehekrise? Natürlich sollte das den Beruf nicht beeinflussen, aber am Ende sind es Menschen und die machen nun mal Fehler oder haben einen schlechten Tag. Muss und soll das wirklich im Internet breit getreten werden und dauerhaft nachlesbar sein? Auch der Geschmack ist so unterschiedlich, wie jeder Einzelne. Was dem einen schmeckt, ist für den anderen der Horror, zu scharf oder zu lasch und was ist dann die „richtige“ Beurteilung? Manchmal sind es auch bezahlte Kritiken der Konkurrenz, die sich damit besonders hartnäckige Mitbewerber vom Hals schaffen. Und ist nicht auch jeder schon einmal bei einer besonders guten Empfehlung baden gegangen? Das ist nämlich der nächste Punkt auf der Liste der Unwägbarkeiten: Online-Kritiken sind oft gekauft und von professionellen Schreibern verfasst. Sie wissen, worauf es ankommt und dass die Dichte und Häufigkeit bestimmter Schlüsselworte, sogenannter Keywords, wichtig ist, damit der Artikel gut von der Suchmaschine gefunden wird. Google lässt sich eine gute Positionierung nämlich gern und gut bezahlen. Das ist kein Geheimnis und dennoch orientieren sich viele inzwischen im weltweiten Netz. Prinzipiell ist dagegen nichts zu sagen, aber ein Quäntchen Kritikfähigkeit und Vorsicht bei Bewertungen sollte sich dabei jeder bewahren.
Ist Geiz wirklich geil?
Ein großer Markt für Elektronik hat den Ausspruch „Geiz ist geil“ als Werbeslogan in Umlauf gebracht und damit nachhaltig, so scheint es, ein ganz neues Konsumverhalten geschaffen. War „Geiz“ früher eher negativ behaftet, ist die offizielle Schnäppchenjagd inzwischen zum Volkssport geworden. Immer billiger soll es werden, aber die Qualität am besten noch besser. Minimale Flugpreise aber maximale Sicherheit und Komfort, zum Beispiel. Wie soll das denn gehen und wo bleibt der gesunde Menschenverstand?
Zu Tode gespart
Eine weitere Konsequenz: Einkaufszentren an der Peripherie machen den Inhabern kleiner Boutiquen und Einzelhandelsgeschäften so große Konkurrenz, dass sie teure Mieten oft nicht mehr tragen können und aufgeben. Die Folge: tote Innenstädte, in denen ein Stadtbummel keinen Spaß mehr macht, weil es nichts zu sehen gibt. Keine individuellen Modeideen mehr, weil kleine Textilgeschäfte sich diese Individualität gar nicht mehr leisten können. Stattdessen kleidet sich der moderne Mensch, fast schon uniformiert, in den Kollektionen weniger Ketten. Mittlerweile ist es auch völlig egal, ob man zum Shopping in Santa Cruz, Shangai oder Stuttgart unterwegs ist – die Mode sieht überall gleich aus. Ein schöner Restaurantbesuch sollte etwas Besonderes sein. Es ist schön, sich gut bekochen zu lassen und verwöhnt zu werden. Das Ganze noch in einem gemütlichen Ambiente und der Tag ist perfekt. Kommt es dann wirklich nur auf den Preis an und ich meine jetzt keinen Luxus, sondern vielleicht einfach ein oder zwei Euro am Hauptgang mehr oder weniger? Schließlich will das Ambiente, das mir so gefällt, gepflegt und das Personal bezahlt sein. Wenn ein Wirt ein Drei-Gänge-Menü unter 10 Euro anbietet, damit er Gäste in sein Lokal zieht, was soll daran noch verdient sein und wie soll sich das Lokal dann halten? Ein bisschen mehr Fairness wäre angebracht, damit das Lieblingslokal es sich auch nächstes Jahr leisten kann, uns zu verwöhnen.
Auf Kosten der Mitarbeiter
Natürlich gelten in Spanien und anderswo Arbeitsschutzgesetze und Regelungen. Aber wo ein Gesetz, dort auch ein Türchen. So gibt es immer wieder Arbeitgeber, die den aktuellen Arbeitslosenhochstand ausnutzen, um möglichst günstige Arbeitsverträge auszuhandeln. Fachleute werden als Hilfskräfte eingestellt oder Ganztagsstellen werden nur halbtags vergütet und manche werden gleich gar nicht angestellt. Oder, wie es bei großen Ketten häufig der Fall ist: das Gehalt niedrig, die Arbeitskräfte jung und der Druck groß. Produkte, die auffallend günstiger sind, als vergleichbare Produkte der Mitbewerber, sollten hinterfragt werden. Den Sparwahn des Kunden müssen in manchen Branchen nämlich die Mitarbeiter zahlen.
Service zum Nulltarif
Auch Dienstleister wissen ein Lied von der fortschreitenden Geizmentalität zu singen. Die Kunden kaufen beispielsweise günstig, weil Geiz geil ist, im Großhandel TV-Geräte, Computer und anderes technisches Gerät. Zu Hause stellt der Kunde fest: Ich habe keine Ahnung, wie das geht. Dann geht er forsch in das nächste Elektro- oder Computerfachgeschäft, um sich das neue Gerät erklären oder anschließen zu lassen. Er betrachtet das als Serviceleistung, für die er natürlich nicht bezahlen möchte. Warum sollte der Experte den Service für ein Gerät leisten, an dem er nichts verdient hat und warum sollte er das kostenlos tun? Es spielt keine Rolle, ob der Fachmann das Problem in kurzer Zeit behoben hat. Er hat es getan, aufgrund seines Fachwissens und das muss bezahlt werden. Immer mehr Fachhändler, die sich dann noch teils unverschämte Kommentare anhören müssen, schließen für den Publikumsverkehr und sind nur noch telefonisch erreichbar. Ist das schön? Ist dieser Geiz wirklich noch geil oder verlieren wir vielleicht doch eher ein Stück Lebens- und Einkaufsqualität? Der Verbraucher ist gefragt, kompetent zu urteilen, eigene Entscheidungen zu treffen, beim Einkaufen ein bisschen nachzufragen und auch in puncto Mode Wert auf mehr Individualität zu legen. Nur so können sich Einzelhändler auch halten. Und auch nur so ist auch die globale Ausbeutung von Mensch und Umwelt in der heutigen Zeit zu bremsen.
Von Sabine Virgin.