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Jorge, bis dato war das Tourismusjahr 2013 auf Teneriffa sehr gut. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage ein und was erwarten Sie von der Wintersaison?
Zunächst einmal muss man differenzieren. Betrachtet man La Palma, so kann man nicht von positiven Tendenzen sprechen. Die Insel hat in der Sommersaison rund 20 Prozent eingebüßt. Vor allem, weil Flüge gestrichen worden sind. Wenn La Palma nicht über einen Direktflug erreichbar ist, wird die Anreise sehr mühsam. Die Urlauber landen im Süden Teneriffas, müssen dann zum Nordflughafen und fliegen von dort aus weiter. Das ist umständlich und erschwert es La Palma attraktiv zu sein. La Gomera hat dieses Problem nicht. Der Urlaubsgast muss nach der Landung zwar von Los Cristianos aus noch mit der Fähre übersetzen, aber das dauert nur rund 40 Minuten und wird von den meisten einfach als schöner Ausflug betrachtet. El Hierro ist sehr speziell. Das Bettenangebot ist nur klein und die Insel hat sich vor allem auf Naturliebhaber und Taucher spezialisiert. Aber auch sie kämpft für eine bessere Anbindung und einen regelmäßigen Fährverkehr. Das ist nicht nur für die Urlauber, sondern auch für die Inselbewohner, die auf Teneriffa arbeiten, sehr wichtig. Selbst wenn wir die Hauptinsel Teneriffa betrachten, ist die Bilanz sehr unterschiedlich. Eine gute Auslastung liegt für uns Hoteliers bei 60 bis 80 Prozent. Im Sommer hatten wir im Süden teilweise sogar über 80 Prozent Belegung. Das ist wirklich sehr gut gewesen und wird im Winter voraussichtlich noch weit übertroffen. Zu Spitzenzeiten rechnen wir sogar mit Überbuchungen. Im Norden der Insel sah es aber bei weitem nicht so gut aus.
Liegt das vor allem an den politischen Unruhen bei den Mitbewerbern Türkei, Ägypten und Tunesien?
Das ist mit Sicherheit ein Faktor, aber in erster Linie ist es auch das Ergebnis unserer verschiedenen Werbeaktivitäten in der Vergangenheit. Natürlich haben wir nun die Möglichkeit Urlauber zu überzeugen, die bis jetzt noch nicht auf Teneriffa waren. Wenn man bedenkt, dass Teneriffa eine sehr hohe Zahl an zufriedenen und treuen, immer wiederkehrenden Gästen hat, ist es eine Chance, noch mehr Menschen mit dem „Teneriffa-Virus“ zu infizieren.
Wenn man uns mit diesen orientalischen Ländern vergleicht, dann ist das ein Vergleich, der hinkt. Finanziell lassen sich beide nicht vergleichen, weil der kanarische Unternehmer Euro verdient, aber auch in Euro kalkulieren und seine Ausgaben bestreiten muss. Der ägyptische Hotelier erhält Euro, zahlt seine Angestellten und seinen Materialeinsatz aber in ägyptischen Pfund. Es dürfte klar sein, wo die Gewinnspanne größer ist. Der Flug ist weiter und dadurch auch teurer.
Der Hauptunterschied liegt für mich aber ganz woanders: Nämlich in der Sicherheit und das bezieht sich auf ganz unterschiedliche Aspekte, wobei die Unruhen nur zweitrangig sind. Ich finde, dass wir Westeuropäer manchmal ein schizophrenes Verhalten an den Tag legen. In unseren Länder legen wir großen Wert auf Umweltschutz, Menschenrechte, gute Arbeitsbedingungen und Arbeitnehmerrechte. Aber im Urlaub scheint es uns nicht zu interessieren, ob dort die Angestellten, fast wie Sklaven mit Hungerlöhnen abgespeist werden, ob die Abwässer neben dem Hotel ungeklärt ins Meer geleitet werden und der Müll, den auch die vielen Touristen verursachen, einfach irgendwo entsorgt wird. Es scheint uns auch nicht zu kümmern, ob die Menschenrechte in dem Land gewahrt sind, ob man frei seine Meinung äußern darf, ob die Frauen im Urlaubsland unterdrückt werden oder ob meine Frau vielleicht dumm angepöbelt wird, wenn sie in Sommerkleidung aus dem Hotel auf die Straße geht. Es ist ja nur unser „Urlaubsland“ und das soll billig sein. Im Grunde muss das jeder selbst entscheiden, aber bedenken sollte man solche Argumente bei seiner Ferienplanung vielleicht auch. Das Thema Sicherheit geht aber noch weiter. Die Hotelresorts sind in diesen Ländern zweifelsohne sehr schön und entsprechen internationalem Standard. Aber was ist, wenn etwas passiert? Die Kanaren sind immer noch Europa. Das bezieht sich auf die Mentalität, die Gesundheitsversorgung und auch auf den juristischen Rechtsstand. Wer in solchen Ländern als Urlauber einen Fehler macht, der landet vielleicht viel schneller im Gefängnis, als er denkt und dort wieder rauszukommen, ist nicht so einfach.
Sie haben vorhin erwähnt, dass die touristische Auslastung im Norden Teneriffas teils stark hinter der im Süden hinterher hinkt. Woran liegt das?
Zunächst muss man unterscheiden. Denn Hotels, die einen guten Vier-Sterne-Standard erfüllen, wie zum Beispiel das „Riu Garoe“, „Hotel Tigaiga“ oder das „Hotel Vallemar“, sind auch im Norden gut ausgelastet. Aber diese Hotels zeichnen sich durch eine ständige Überholung ihrer Anlagen und eine professionelle Führung aus. Gerade in Puerto de la Cruz haben aber viele versäumt, die Hotels rechtzeitig den modernen Standards anzupassen. Das rächt sich nun und muss geändert werden.
Dem scheinen Sie in der letzten Woche ja einen großen Schritt entgegengekommen zu sein?
Ja genau. Das Problem ist, dass die Hotels, die nicht mehr dem aktuellen Standard entsprechen und nicht ausgelastet sind, keine gute Bilanz haben. Das wiederum führt dazu, dass sie bei Banken nicht kreditwürdig sind. Da beißt sich dann die berühmte Katze in den Schwanz. Gerade deshalb ist der Konsens so wichtig, den wir letzte Woche mit den größten spanischen Banken geschlossen haben. In harten Verhandlungen haben wir die Lage der Hotels erklärt. Gleichzeitig haben wir die Bilanzen und touristischen Hochrechnungen vorgelegt, die sehr positiv sind und wir haben in der letzten Zeit, trotz Krise bewiesen, dass wir ein verlässlicher und wichtiger Motor der Inseln sind. Immerhin haben wir in den letzten vier Jahren rund 10.000 Arbeitsplätze geschaffen. Außerdem hat die renommierte RIU-Hotelkette angekündigt, dass sie alle ihre Hotels auf Teneriffa von Grund auf überholen wird. Ein sehr positives Zeichen, dass auch dort die Geschäftsleitung auf die Zukunft setzt und das auch im Norden der Insel. Das alles hat dazu geführt, dass die Banken eingewilligt haben, 100 Millionen Euro als Kredit für die Renovierung älterer Hotels zur Verfügung zu stellen. Im Moment haben wir 30 solcher Renovierungsabkommen vorliegen und fast alle sind in Puerto de la Cruz .
Die Aktualisierung des Standards ist die eine Sache. Was können die Hotels sonst noch tun, um ihre Belegung zu verbessern?
Ein wichtiges Schlüsselwort ist für mich Spezialisierung. Ich habe mich in meinem Hotel beispielsweise auf Familien spezialisiert. Das heißt, die Zimmer sind rund 60 Quadratmeter groß, haben eine Terrasse und man kann bei uns von der Übernachtung bis zu all-inclusive buchen. Außerdem stört sich niemand an Kindern, weil ja jeder mit Kindern kommt und die Eltern können sich in unserem Wellness- und Spa-Bereich auch einmal eine Auszeit gönnen. Wäre ich ein X-beliebiges Vier-Sterne-Hotel, hätte ich eine sehr große Konkurrenz und diese wird in der Regel über den Preis ausgetragen. Spezialisiert auf Familien ist meine Konkurrenz viel kleiner und ich erreiche sehr viel schneller die Kunden, die genau mein Angebot brauchen. Etwas Ähnliches macht im Moment das Hotel Marte in Puerto de la Cruz. Dort wird derzeit renoviert und das im Hinblick auf Taucherklientel. Das heißt, man geht mit speziellen Räumen für Ausrüstung und Kooperation mit Tauchschulen auf die Bedürfnisse dieser Klienten ein. Es gibt noch viele andere Spezialisierungen, die möglich sind, wie „nur für Erwachsene“, Hotels für Menschen, die mit Haustieren verreisen oder vielleicht spezialisiert auf Mountainbiker. Mit Fantasie und Kreativität lassen sich viele Möglichkeiten finden, die Nischen ausfüllen und deshalb auch gezielt Kunden ansprechen.
Wie sieht es mit Puerto de la Cruz als Urlaubsziel aus?
Im Moment strengen wir in Zusammenarbeit mit dem Tourismusamt Teneriffas eine gezielte Imageveränderung an. In der Stadt selbst wurde in den letzten Jahren vieles getan. Reformarbeiten in der Innenstadt, rund um die Plaza del Charco und die Altstadt, in der Avenida Botánico und der Avenida Familia Bethencourt, in der Calle La Hoya, am Mirador in La Paz und der Abriss der Kioskruinen an der Playa Martianez, um nur einige zu nennen. Aber die Stadt muss sich dringend neu definieren. Viel zu lange hat sie auf „Sonne und Strand“ als Werbeattribut gesetzt. Damit ist sie nicht nur international in Konkurrenz getreten, sondern mit dem eigenen Inselsüden, der nur wenige Kilometer entfernt sonnensicherer ist und noch dazu die schöneren Strände hat. Puerto de la Cruz schwebt uns in der Zukunft als semiurbanes Ferienziel vor, denn dafür eignet sich die Stadt hervorragend. In einem Umkreis von einer Autostunde sind mehr als 80 Sehenswürdigkeiten erreichbar. Deshalb sind die Stärken der Stadt das kulturelle Angebot in der Stadt und Umgebung, Aktivtourismus in der Natur, wie Tauchen, Surfen, Mountainbiking, Wandern und Paragliding, sowie das „Urlauben“ in einer dynamischen Stadt mitten unter den Einheimischen. Das Angebot von Sonne und Strand kommt dann ergänzend hinzu, ist aber nicht das Hauptargument. Das spricht ein breit gefächertes Publikum mit einer guten Kaufkraft an. Kommen dann noch ein paar schöne Boutiquen und Läden hinzu, an denen die Leute vorbeibummeln können, ist das perfekt. Dann steht Puerto de la Cruz nicht mehr in Konkurrenz mit dem Inselsüden, sondern ist eine Urlaubsdestination mit einem ganz eigenen Profil.
Noch eine Frage zum All-inclusive-Urlaub: Vor allem Gastronomen kritisieren das immer wieder, weil sie sich dadurch benachteiligt sehen. Wie stehen Sie dazu?
Zuerst einmal sollten die Fakten sprechen. Vom gesamten Urlaubskuchen macht das All-inclusive-Angebot gerade mal 18 Prozent aus. In meinem Hotel zum Beispiel biete ich nur die Übernachtung oder das gesamte Paket an. Gerade bei Familien mit Kindern ist das Gesamtpaket beliebt. Und wer Kinder hat weiß, dass der Urlaub so kalkulierbarer wird. Die meisten All-inclusive-Hotels sind abseits gelegen und haben kein so großes gastronomisches Angebot in unmittelbarer Näher. Man kommt dem Gast also aus Komfortgründen entgegen. Außerdem ist es schlicht so, dass der Kunde, der all-inclusive bucht, auch genau das möchte. Bieten wir ihm diese Option auf Teneriffa nicht, dann bucht er nicht etwa Halbpension, sondern einfach woanders, wo man ihm all-inclusive anbietet. Ganz abgesehen davon sehe ich beispielsweise, wenn ich unterwegs bin, öfter Hotelgäste von mir, trotz all-inclusive, in den Restaurants und meistens sind das dann sehr gute Restaurants. Es heißt also nicht zwingend, dass diese Gäste außerhalb nichts konsumieren. In meinen Augen ist auch das eine Frage der Qualität, Professionalität und Kreativität. Ein Restaurant, das sich durch etwas Besonderes hervorhebt und gut ist, hat auch Gäste. Wer im „Einheitsbrei“ mitschwimmt, hat es eben schwer. Das wiederum ist aber nicht das Problem der Hoteliers, sondern der Gastronomen.
Erlauben Sie mir noch eine Frage zum sogenannten Billigtourismus. Rund 2,9 Millionen Touristen kamen im August per Billigfluglinien auf die Kanaren. Das sind 3,4 Prozent mehr als im letzten August. Hat das zur Folge, dass die Kanaren Gefahr laufen, an Niveau zu verlieren?
Nein, auf gar keinen Fall. Zum Beispiel wurde Teneriffa im Jahr 2010 auf der internationalen Reisemesse in Lugano in der Schweiz als bestes Reiseziel an der Küste in der Kategorie Luxusreisen ausgezeichnet. Gerade der gehobene Tourismus auf Fünf-Sterne-Niveau nimmt in den letzten Jahren genauso kontinuierlich zu. Unser Angebot an Golf, Spa und Wellness, Natur und exzellenter Gastronomie zeichnen uns aus und werden in den gehobenen Kreisen gewürdigt. Deshalb schließt das eine, das andere nicht aus. Im Gegenteil: Ein komplettes Urlaubsziel, wie wir es sind, bietet eben für jede Kategorie das Richtige an. Vielfalt ist etwas Positives und in diesem Sinne sehe ich den Tourismusmotor im Moment gut und rund laufen.
Jorge, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen als Präsident von Ashotel weiterhin viele kreative Ideen und Unterstützung von allen Beteiligten, um Projekte voranzubringen, von denen letztlich alle profitieren. Infos zum Verband finden sich unter www.ashotel.es
Von Sabine Virgin