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Dr. Socas, die Sonne ist Ihr Spezialgebiet. Was fasziniert sie gerade an diesem Planeten so sehr?
Da gibt es mehrere Faktoren. Zum einen ist die Sonne der Erde sehr viel näher als alle anderen Sterne beispielsweise und sie beeinflusst das Leben auf unserem Planeten ebenso wie der Mond. Außerdem ist sie einerseits wegen der geringen Entfernung leicht zu beobachten, aber andererseits sind die Vorgänge dort sehr komplex. Die Sonne begeistert mich einfach, denn es gibt so viele Dinge, die dort geschehen und von uns beobachtet und analysiert werden können. Wir als Wissenschaftler wollen die Ereignisse und die kausalen Zusammenhänge verstehen. Gerade jetzt steht die Sonnenphysik, meiner Meinung nach, vor einem großen Durchbruch. Unsere Forschungen sind so weit fortgeschritten, dass uns demnächst ein großer Schritt in Bezug auf das Verständnis der Sonne bevorsteht. Wir sind durch unser internationales Institut ständig mit Kollegen aus aller Welt in Kontakt. Natürlich hat jeder Forscher den Wunsch durch seine Arbeit der Wissenschaft einen neuen Aspekt hinzuzufügen, aber wir tauschen unsere Erfahrungen auch aus und ergänzen einander, auch im Hinblick auf die optimale Nutzung der vorhandenen Technik. Viele verschiedene Puzzleteile setzen sich so zu einem großen Ganzen zusammen, von dem dann letztlich alle profitieren. Übrigens waren es die Deutschen, die den Grundstein für die Installation eines Sonnenteleskops auf den Kanaren gelegt haben. In den 70er Jahren erkannten sie die Vorzüge des kanarischen Standortes, die vor allem in den klimatologischen Bedingungen und der wichtigen Dunkelheit des Nachthimmels über den Kanaren zu finden sind. Sie haben wesentlich zur Gründung des Observatoriums beigetragen und auch das erste Sonnenteleskop in Izaña installiert.
Das Jahr 2012 wird in vielen Kreisen als Weltuntergangsszenario propagiert. Unter anderem wird die Wintersonnenwende 2012 als Endzeitdatum erwähnt, weil dann der Maya-Kalender endet und damit das Ende der Erde gekommen sein soll. Auslöser soll unter anderem ein gewaltiger Sonnensturm sein. Vor allem die Filmindustrie als auch esoterische Zirkel schlachten dieses Thema gerne aus. Was halten Sie aus wissenschaftlicher Sicht davon?
Aus unserer Sicht ist dies natürlich Unsinn, der vor allem von nicht ernst zu nehmenden Medien verbreitet wird. Schon gar nicht lässt sich die Natur auf ein so eng definiertes Datum festlegen. Auch offizielle Nachrichten der NASA wurden von einigen Kreisen falsch interpretiert und damit verfälscht. Fakt ist, dass die Aktivitäten auf der Sonne sich in Zyklen abspielen. Auf einen aktiven Zyklus folgt eine ruhige Phase und umgekehrt. Die Dauer der Zyklen beträgt circa elf Jahre. Im Jahr 2012 wird ein sogenanntes Maximum an Aktivitäten erwartet, wobei neuere Erkenntnisse sogar eine Verschiebung dieses Höhepunktes auf das Frühjahr 2013 andeuten. Diese Spitzen ereignen sich aber schon seit Jahrmillionen und sind daher eine Gesetzmäßigkeit, mit der die Erde sozusagen ständig konfrontiert ist. Bis dato hat sie das immer schadlos überstanden. Es gibt überhaupt keinen Grund zu der Annahme, dass sich dies ändern wird. Aus wissenschaftlicher Sicht entbehren diese Endzeitprognosen jeglicher Grundlage.
Was genau ist ein Sonnensturm?
Der Ausdruck Sonnensturm ist eigentlich irreführend. Besser wären diese aktiven Phasen mit einer Eruption ausgedrückt. Der sogenannte Sonnensturm ist eigentlich eine gigantische Eruption des Gasgemisches auf der Sonne, die eine Kraft hat, die etwa der Explosion von tausend Atombomben zur gleichen Zeit entspricht. Also gewaltig. Diese Ausbrüche finden ständig statt, nur in der aktiven Phase eben sehr viel häufiger. In einer ruhigen Zeit hat man ungefähr einen Ausbruch im Monat und zu Spitzenzeiten können es zwei bis drei Explosionen am Tag sein. Das heißt der Unterschied zwischen passiver und aktiver Phase besteht nicht in dem Ausbruch an sich, sondern in der Häufigkeit der Ausbrüche. Der Ursprung der Eruptionen ist fast immer ein Sonnenfleck, eine dunkle Stelle auf der Sonnenoberfläche, die starke Magnetfelder anzeigt.
Bei einem solchen Ausbruch wird nun Material der Sonne mit einer enormen Geschwindigkeit ins All geschleudert. Zum Verständnis: Sie haben Geschwindigkeiten von circa tausend Kilometern in der Sekunde.
Das sieht man dann von der Erde aus in Form von dunklen Sonnenflecken.
Gleichzeitig wird hochenergetische Strahlung freigesetzt. Wenn der Ausbruch in Richtung der Erde erfolgt, treffen die ausgestoßenen Teilchen nach etwa zwei Tagen auf die Erde. Sie werden von den magnetischen Polen der Erde, also Süd- oder Nordpol, angezogen und treten dann vor allem dort in die Erde ein. Das kann kurzfristig eine Art Stromstoß oder Kurzschluss verursachen. Sichtbar wird das Phänomen in Form von Nordlichtern oder einer Aurora. Der erste dokumentierte Ausbruch wurde übrigens schon am 1. September 1859 von dem britischen Astronomen Richard Carrington festgehalten. Er sah durch sein Teleskop eine gewaltige Explosion in Form eines Lichtblitzes. Etwa 20 Stunden später erreichten die ausgeschleuderten Strahlungen die Erde und lösten elektromagnetische Turbulenzen aus. Das heißt, der Strom und Telegraphen fielen aus. Kompassnadeln spielten verrückt. Die Aurora damals soll bis in die Karibik und in Kuba zu sehen gewesen sein. Dieser Sturm zählt bis heute zu den Größten. Mit dieser Beobachtung wurde der Grundstein für die Erforschung der Sonne und der Auswirkung von sogenanntem Weltraumwetter auf die Erde gelegt. In der jüngeren Vergangenheit wurde 1989 das Stromnetz in Quebec durch einen Sonnensturm unterbrochen. Neun Stunden lang waren Millionen Menschen ohne Strom. Der geschätzte Schaden betrug mehrere hundert Millionen Dollar. Im Jahr 2003 mussten einige von Sonnenstürmen getroffene Satelliten abgeschaltet werden.
Was genau ist die Gefahr und wirken sich diese magnetischen Impulse auf den Menschen aus?
Wie schon mehrfach erwähnt, verursachen die solaren Teilchen vor allem technische Störungen. Das heißt, zum Beispiel, dass Stromnetze ausfallen können, je näher am Pol, umso wahrscheinlicher. Satelliten werden getroffen, zerstört oder in ihrer Funktion beeinträchtigt. Das wiederum bedeutet, dass GPS-Systeme oder unser weltweites Telekommunikationsnetz vorübergehend ausfallen. Das gilt übrigens auch für die militärische Weltraumüberwachung. Geraten Flugzeuge in solche elektromagnetische Turbulenzen, bricht die Funkverbindung ab, aber die technischen Geräte an Bord funktionieren weiterhin einwandfrei. Einem Piloten von Delta Airlines ist das zum Beispiel in Polnähe schon passiert, sodass er abdrehen musste, um aus dem „Funkloch“ herauszukommen. Je technischer und vernetzter die Welt ist, umso mehr Auswirkungen können sich also bemerkbar machen. Nachdem die Wirtschaft und der Alltag von uns allen mittlerweile von High-Tech bestimmt sind, sind logischerweise auch mehr Konsequenzen möglich. Stromausfälle, und seien es auch nur wenige Stunden, kosten in der heutigen Welt Millionen.
Wie kann man sich ihre Forschung vorstellen und was kann sie bewirken? Schauen Sie den ganzen Tag ins Teleskop?
Nein, natürlich nicht. Das Sonnenteleskop in Izaña zum Beispiel wird zu 30 Prozent des Jahres von den Deutschen genutzt. Etwa 20 Prozent steht Spanien zu und die andere Hälfte wird auf internationaler Ebene vergeben. Will man also eine spezielle Beobachtung durchführen, stellt man einen Antrag, der dann bewilligt wird oder nicht. Hat man die Zusage, kann man das Teleskop für einen bestimmten Zeitraum nutzen. Die Beobachtung muss gut vorbereitet sein, damit dann auch alles klappt. Wochenlange Berechnungen und Programmierungen gehen einem solchen Einsatz voraus. Danach werden die Ergebnisse aufgearbeitet, Störfaktoren eliminiert und der Rest analysiert. Darüber vergehen wieder Wochen und Monate.
In den USA wird die Forschung an der Sonne zum Beispiel sehr stark von Unternehmen subventioniert. Im Gegensatz zu anderen Forschungsbereichen, wie zum Beispiel der Klimatologie, ist gerade die Wirtschaft sehr stark an unseren Forschungen interessiert. Unsere Ergebnisse können dazu beitragen, technisches Material zu entwickeln, das vor den Strahlungen und Magnetströmen geschützt ist: Wir warnen ganz konkret zu bestimmten Zeiten vor bestimmten Flugrouten. Je besser unsere Vorhersagen, umso besser kann sich die Wirtschaft vor Verlusten schützen. Und genau das ist unser Ziel.
Dr. Socas, wie lautet ihr persönliches Fazit in Bezug auf die „Sonnenkatastrophe 2012“?
Ich kann nur zur Ruhe mahnen. Die Sonne scheint schon seit rund 5.000 Millionen Jahren über der Erde und hat ungefähr gerade die Hälfte ihrer Lebenszeit erreicht. Sonnenstürme sind ein ganz natürliches Phänomen, das es schon immer gab und auch weiter geben wird. Es gibt überhaupt keinen Grund, deshalb in Panik zu verfallen.
Dr. Socas, wir danken Ihnen sehr für das Gespräch, das doch etwas Licht in das Dunkel rund um das Thema Sonnensturm gebracht hat. Wir wünschen Ihnen ein erfolgreiches solares Wissenschaftsjahr.
Wer sich näher für dieses Thema interessiert, kann sich über Youtube http://www.youtube.com/watch?v=Yx6sON13ywg eindrucksvolle Bilder der Nasa von einem Sonnensturm ansehen. Aufnahmen auf http://www.youtube.com/watch?v=ys9xL3mw8tI verdeutlichen die Komplexitivität des Vorgangs. Auf der Webseite www.solarmonitor.org finden sich tägliche Updates der aktuellen Strahlenbelastung, was vor allem für Fluggesellschaften wichtig ist, um ihre Besatzungen nicht zu stark zu belasten. Das Instituto de Astrofisica de Canarias findet man unter www.iac.es.
Die Webseite des Kiepenheuer-Instituts für Sonnenphysik in Freiburg www.kis.uni-freiburg.de bietet weitere Information zu den deutschen Sonnenteleskopen auf Teneriffa und zur Forschung in der Sonnenphysik.
Von Sabine Virgin