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Urgestein finde ich gut, Inselgeist finde ich auch ganz witzig, noch witziger fand ich die Frage „Lebt der noch?“, als ich mich ein paar Jahre aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte. Auf die Insel gekommen bin ich 1988, als hier noch alles locker war, die Insel relativ unverbaut und die Einwohner noch urtümlich. Das kann man heute auch noch finden, aber nicht mehr in den größeren Städten und Ansiedlungen. Der Euro und die Wirtschaftskrise haben hier leider auch vieles verändert. Aber was bleibt, ist immer noch eine herrliche Insel, der warme Atlantik und der täglich blaue Himmel!
Hatte Ihr Rückzug aus der Öffentlichkeit denn etwas mit Musikmüdigkeit zu tun oder spielten andere Gründe eine Rolle?
Erst war es tatsächlich eine geschäftliche Entscheidung, eine neue Firma die mich voll in Beschlag nahm. Dann kam aber leider auch noch ein gesundheitlicher Seitenhieb dazu der anscheinend viele ab 50 erwischt, den einen mehr, den anderen weniger. Ich hatte eigentlich Glück, nach einer Operation wäre alles wieder in Ordnung gewesen, aber durch eine rapide Gewichtsabnahme meinte mein Körper anschließend anscheinend alles Bunkern zu müssen, was kam. So wurde ich zu einem richtigen bayrischen Wonneproppen. Hab' fast zwei Jahre gebraucht, um 25 Kilogramm wieder abzunehmen, und was noch schlimmer ist, das Gewicht zu halten. Ich habe soviel experimentiert; jetzt kann ich ein Diätbuch schreiben, ich glaube das wäre dann das 99.999te allein in Deutschland! Mit so viel Übergewicht machte es jedenfalls keinen Spaß, sich in einen Bühnenanzug zu pressen.
Wenn ich mir Ihre Biografie anschaue, dann waren Sie doch recht erfolgreich in Deutschland. Was hat Sie letztendlich bewogen ihren Wohnort auf die Insel zu verlegen und auch hier zu bleiben?
Kennen Sie den Spruch „Wenn es dem Esel zu wohl wird...“? Aber im Ernst; auf so einer Insel ist man ja nicht ab vom Schuss. Ganz im Gegenteil. Gerade die Arbeit als Künstler und Produzent ist ja ortsunabhängig, und wie man an meinen Produktionen gesehen hat, ist eine Trauminsel wie Teneriffa künstlerisch sogar sehr fördernd. Aber was am wichtigsten ist, egal was man hier macht: Bei Sonnenschein macht man es leichter!
„Teneriffa – aus Liebe zu ihr“ war die erste Musikproduktion auf der Insel. Mit gleichem Namen folgte dann das erste Inselvideo, danach kam die sehr schöne Produktion „Teneriffa ...rund um die Insel“, die auch heute noch – nach fast 20 Jahren – einen lebendigen Eindruck von Teneriffa hinterlässt. Wie haben Sie als Sänger und Entertainer solch eine professionelle Videoproduktion hinbekommen?
Beim Schreiben und Komponieren der Musikproduktion hatte ich die Bilder bereits vor Augen. Als Drehbuchautor war ich natürlich ein Neuling, aber die Hintergrundrecherchen für die Beschreibungen und Dialoge machten soviel Freude, da fiel mir dann das Schreiben des Drehbuches nicht wirklich schwer. Ich habe heute noch mehr als 40 Bücher über Teneriffa und die Kanaren. Geschichte, Kultur, Gesteinskunde, Pflanzenwelt, Wanderführer – ich denke, ich habe mich damals richtig zum Spezialisten 'rangelesen, was mir natürlich auch für meine weiteren Filme sehr geholfen hat. Das erste Video hab' ich mit einer kanarischen Produktionsfirma erstellt. Wenn der Film auch sehr schön und erfolgreich geworden ist, musste ich aber feststellen, dass der Kameramann die Motive anders filmte, als ich es wollte, und über den Bildschnitt war ich auch nicht sehr glücklich. Ich wusste, der nächste Film muss anders werden. Ich habe mir so nach und nach ein professionelles Fernseh- und Videostudio eingerichtet, natürlich mit Profikamera, eine Ausbildung zum Kameramann gemacht, einen Cutter aus Deutschland einfliegen lassen, der mich eingewiesen und angelernt hat, und in zwei Jahren die Insel so gefilmt, wie ich sie sehe. So entstand der erste wirkliche Benedictfilm, „Teneriffa ...rund um die Insel“, auf den ich heute noch stolz bin.
Wie ging es dann weiter mit dem Produzenten und Filmemacher Roger Benedict, oder war mit diesen beiden Videos die Ära schon beendet?
Um Himmels willen, dann wäre das Studio aber schnell ein teures Hobby geworden. Ganz im Gegenteil. Ich habe noch vier weitere Eigenproduktionen gemacht, zum Beispiel „Fuerteventura ...eine Karibikinsel in Europa“ oder „Attraktionen TF-Nord“; ich habe auch für das Cabildo Promotions-Videos produziert sowie Industriefilme für große Konzerne und wurde nebenbei vom privaten deutschen Fernsehen immer wieder als Kameramann gebucht. Die „Dieter Bohlen-Homestory“ oder die „Sektenverbrennung auf dem Teide“, um die bekanntesten Beiträge zu nennen. Allerdings muss ich gestehen, dass mir die Zusammenarbeit mit dem Fernsehen immer schwerer fiel: Ich zeigte auf meinen Videos die schönen Seiten der Insel, und das Fernsehen wollte immer das Negative in die Schlagzeilen bringen. Irgendwann habe ich eine weitere Zusammenarbeit dankend abgelehnt.
Sie waren auch beim Start des ersten deutschsprachigen Radiosenders auf Teneriffa dabei und haben viele Jahre als Moderator selbst mitgewirkt. Wie wichtig war Ihnen diese Arbeit, und was halten Sie davon, dass alle fremdsprachigen Sender auf den Kanaren ihre Sendefrequenz verloren haben?
Bei dieser Nachricht musste ich schon schwer schlucken, aber es zeigt wieder mal, dass wir in Spanien als Ausländer nur Gäste sind. Lachen musste ich bei dem Gedanken, was in Deutschland passiert wäre: „Ausländerdiskriminierung“. Die Leute wären auf die Barrikaden gegangen, und vermutlich wäre es sogar ein Thema für den Bundestag geworden. Als leidenschaftlicher Radiomacher finde ich es persönlich sehr schlimm, dass den ausländischen Bürgern hier ein wichtiges Informationsportal nicht mehr zugestanden wird! Und wenn man dann noch bedenkt, wie viel Geld in die Aufbauarbeit dieser Sender in den letzten Jahren investiert worden ist und wie viel Arbeitsplätze zerstört werden, ist das eigentlich ein Thema für Brüssel.
Mit 250.000 verkauften MC und CD sowie 500.000 Musik- und Doku-Videos galten Sie schon im Jahr 2000 als der erfolgreichste deutsche Künstler auf Teneriffa. Weshalb verkauften Sie dann Ihr Studio und stellten die Produktion ein?
Eigentlich hatte ich nur die Videoproduktion und den damit verbundenen Vertrieb eingestellt, dummerweise den Musik-Vertrieb gleich mit. Dummerweise deshalb, weil ich auch heute immer wieder erlebe, wie begehrt und zeitlos die Musikproduktion ist. Ich habe zu dem Zeitpunkt auch mein komplettes Fernseh-/Videostudio aufgelöst, und das hatte seinen Grund in dem zu erwartenden Verkaufsrückgang. Deshalb zu erwarten, weil zu der Zeit billige Digitalkameras auf den Markt kamen, die eigentlich gute Bilder und Filme machten. Aber auf den Inseln waren plötzlich dutzende Leute unterwegs, die in zwei Wochen ein Dokumentarvideo erstellten und billig vermarkteten. Über den Inhalt muss man sich nicht streiten, man kann in so kurzer Zeit die Inselvielfalt nicht wiedergeben. Wer so ein Video kaufte, hat vermutlich nie wieder eins gekauft. Das hat sich sehr schnell bestätigt, und ich war Gott sei Dank vorher raus aus diesem Geschäft.
Vor einigen Jahren erschien „Weihnachten im Winterwald“, ein mit Ihren Zeichnungen gestaltetes Buch, das eine CD mit Weihnachtsliedern enthält. Stammen diese auch von Ihnen, und wie kann man auf einer Insel des ewigen Sonnenscheins in Weihnachtsstimmung kommen?
Weihnachtsstimmung – das ist eine lustige Frage im Juli, die ich aber gern beantworte. Vorhang zu, Lichter am Baum anzünden, einen leckeren Gänsebraten und ein paar hübsche Weihnachtslieder: dann ist die Stimmung fast wie in Deutschland, da liegt ja auch nicht immer Schnee. Und wenn das jemand bezweifelt, soll er zu einer meiner Weihnachtshows kommen, da ist noch keiner ohne Weihnachtsgefühl wieder rausgegangen. Das Bilderbuch zu schreiben und zu zeichnen war vor über 30 Jahren eine Idee von mir, Weihnachten für Kinder wieder realistischer zu machen, indem sie in eine Fantasiewelt eintauchen. Mal ehrlich, vielen Eltern ist es peinlich, wenn Ihr Kind noch an den Weihnachtsmann glaubt, aber ohne das Christkindl, den Osterhasen oder Harry Potter verkümmert die Fantasie. Stellen sie sich vor nur real zu denken, ohne Fantasie, da wäre nie etwas Neues entstanden, sozusagen das Rad nie erfunden worden. Aber zurück zum Bilderbuch, das lag fast 20 Jahre in schwarz/weiß in meiner Schublade. Vor ein paar Jahren nahm es ein Freund mit zu einer bekannten Malerin und der gefiel es so gut, dass sie mir anbot, es fertigzustellen. Ich dachte, sie zeichnet das auch neu, weil ich mir nicht sicher war, ob meine Zeichenkunst für ein Bilderbuch ausreicht. Aber nix: Als ich es wiederbekam, waren es immer noch meine Zeichnungen, aber in den herrlichsten Aquarellfarben ausgemalt. Ich finde, es ist wunderschön geworden.
Ab 2005 hatten Sie eine Auszeit von der Musik genommen und stehen seit 2010 wieder auf der Bühne. Momentan trifft man Sie jeden Mittwoch und Samstag bei Karin und Ralf in Los Cristianos. Dort singen Sie die schönsten Lieder von Neil Diamond, Julio Iglesias, Dean Martin und Elvis Presley. Das klingt gar nicht mehr so kanarisch, aber es gefällt offensichtlich den Zuhörern. Wie sehen Ihre weiteren Pläne aus?
Karin und Ralf sind zwei ganz liebe, die nicht nur selber sehr Musik begeistert sind, sondern in Ihrem schönen und großen Restaurant auch viel Platz für Tanzbegeisterte haben. Da macht es so richtig Spaß diese alten Evergreens aufleben zu lassen. Meine eigenen Titel sind nicht wirklich Tanztitel, und deshalb macht es mir besondere Freude zu sehen, dass es bei diesen Evergreens keinen mehr auf dem Stuhl hält. Natürlich gerät mein eigenes Programm dadurch nicht in Vergessenheit, wird aber in erster Linie bei Buchungen in Deutschland und auf dem Festland gewünscht. Die nächsten Termine sind da aber erst wieder im Herbst – Informationen gibt es dazu auf meiner Homepage www.rogerbenedict.de –, aber auch dann werde ich regelmäßig bei Karin und Ralf auftreten. Ich hoffe, wir sehen uns bald!
Vielen Dank, Roger Benedict, für das angenehme Gespräch. Man wird also auch weiterhin von Ihnen hören und kann ihrem Gesang lauschen – oder aber auch ein Tänzchen wagen. Viel Erfolg auch für die nächsten Jahre.
Steckbrief Roger Benedict
Komponist, Sänger, Produzent, Entertainer und Radio-Moderator, geboren am 14.04.1956 in München.
Eine kurze Auswahl aus der Erfolgsliste:
• 1982 Squash-Rock, der erste Sänger, der eine bayrische Rock'n'Roll-Platte herausbrachte
• 1985 Träger der Auszeichnung HARLEKIN (Entertainer des Jahres in Österreich)
• 1986 „Das kleine Schlossgespenst“ – der Tanzhit in deutschen und österreichischen Discotheken.
• 1984-88 Rundfunkmoderator bei folgenden Sendern: Radio Aktiv, Gong 2000, RT 1 Augsburg
• 1992 entsteht das erste Inselvideo „Teneriffa ...aus Liebe zu Ihr“
• 1993+94 mit „Los Cristianos“ und „Puerto de la Cruz“ in den deutschen Charts. Bei allen großen Fernsehstationen wie WDR, NDR, RTL, ARD und ZDF ein gerngesehener Gast.