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Ich war mehrfach auf dem Sozialamt und habe um Hilfe gebeten. Aber es kommt einfach nichts. Sie kommen nicht, um zu helfen, sondern nur, um uns auf die Straße zu setzen. Von Oktober letzten Jahres bis jetzt haben sie mir 300 Euro Unterstützung gegeben. Nicht pro Monat, sondern in der ganzen Zeit. Ins Obdachlosenheim kann ich wegen der Hunde nicht und ich möchte dort auch nicht sein. Dort gibt es viele Konflikte und ich möchte einfach in Ruhe leben. Nach meiner Arbeit am Strand bin ich zu Hause. Manchmal treffen wir uns abends am Strand unter Freunden, um gemeinsam zu trommeln. Mehr brauche ich nicht, nur ein Dach über dem Kopf. Strom und Wasser wäre schön“, erzählt er. Erst kürzlich stieg er in ein Haus ein. „Ganz vorsichtig, ich habe nichts aufgebrochen, sondern vorsichtig mit einem Schraubenzieher geöffnet. Dabei wurde ich erwischt und muss mich nun wegen Einbruchs verantworten. Ich gebe zu, ich bin ein Hausbesetzer, aber kein Einbrecher. Früher war ich mal mit dem Gesetz im Konflikt, aber seit elf Jahren bin ich ‚sauber‘. Ich habe nichts gestohlen, sondern wollte nur schauen, ob das Haus eventuell bewohnbar wäre“, erklärt er weiter. Javi ist stadtbekannt. Viele grüßen ihn, kennen ihn, schätzen ihn. Es gibt eine Nachbarin, die ihm ab und zu die Wäsche macht. Dort kann er die Hunde baden oder auch mal trimmen. Wenn es eng wird, besorgt sie ihm Hundefutter. Selbst ein Handy hat sie ihm gekauft, damit sie in Kontakt bleiben können. Jeden Monat lädt sie es ihm mit 15 Euro auf. Dafür ist er dankbar. „Neulich hat mir eine Finnin, die ich kenne, angeboten, bei ihr zu duschen. Ich wäre dabei fast eingeschlafen. Kann mich gar nicht erinnern, wann ich das letzte Mal warm geduscht habe. Es war so schön. Im Winter, wenn die Ausländer kommen, geht es besser. Viele kennen mich. Sie kaufen meinen Schmuck, helfen mir die Hunde zu sterilisieren oder sorgen dafür, dass sie einen Chip haben. Die Nonnen vom Kinderheim an der Busstation geben mir jeden Tag ein belegtes Brot, ein Stück Obst und einen Saft. Alles, worum ich bitte, ist ein Dach über dem Kopf, in dem ich mit meinen Tieren leben kann.“ Eine Deutsche, die sich politisch und im Tierschutz organisiert, versuchte selbst einen Kontakt zum Bürgermeister und zu Sozialarbeitern herzustellen. Vergeblich. Immer wieder gab es Termine und Versprechungen, die nicht eingehalten wurden.
Obdachlosigkeit als Einzelschicksal
Schnell sind Vorurteile parat, weshalb jemand auf der Straße lebt. Doch wer hinter die Kulissen schaut, der sieht Einzelschicksale. Manchmal traurige Geschichten, manchmal sind sie mit Alkohol, Drogen und Kriminalität verbunden, manchmal aber auch nicht. Manchmal war es ein einziger Fehlschlag, der zum Straucheln und Absturz führte. Gerade wer aus Not auf der Straße ist, möchte sich ein bisschen Würde bewahren. Manche Städte richten sich darauf ein, auch diese Menschen als Mitbürger wahrzunehmen, andere sehen sie als lästiges Übel. Auf den Kanaren leben nach Einschätzung der Caritas rund 2.000 Obdachlose. In Teneriffas Hauptstadt Santa Cruz wird ihre Zahl auf rund 300 geschätzt. „Viele kommen von außerhalb, weil wir Obdachlosenheime zum Übernachten, eine Suppenküche mit drei täglichen Mahlzeiten sowie Duschmöglichkeiten anbieten“, erklärte der Bürgermeister José Manuel Bermúdez. Nicht alle, die auf der Straße leben, wollen tatsächlich ein Dach über dem Kopf. „Manchen mögen keine Regeln und können sich nicht in Hausgemeinschaften einfinden. Wir suchen nach den bestmöglichen Lösungen, um diesen Menschen zu helfen“, meint er weiter. Deshalb erlaubt er in gewissem Maße und an bestimmten Stellen sogenannte „Chabolas“. Einfache Hütten, die sich die Menschen selbst herrichten, um dort selbstbestimmt zu leben. Sogar einen Wohnsitz können die Menschen dort anmelden. In den letzten beiden Jahren wurden in der Hauptstadt rund vier Millionen Euro in Obdachlosenprojekte investiert. So zum Beispiel in rund ein Dutzend Wohnungen, die gezielt an Obdachlose vergeben werden. Sie werden von Sozialarbeitern betreut, sodass auch Behördenangelegenheiten, mit denen viele Menschen überfordert sind, erledigt werden können. In Santa Cruz gehen Mitarbeiter der Stadt auf die Menschen ein und versuchen Lösungen zu finden, die ihnen Würde und Selbstbestimmung lassen. In Puerto de la Cruz gibt es weniger Initiative. Javi und seine Freunde schätzen, dass es in der Stadt mindestens 30 Obdachlose gibt, wahrscheinlich sogar mehr. „Manche sind Junkies, sie halten sich in verlassenen Gebäuden auf und oft gibt es dort auch Ausraster und Probleme. Sie machen sich wenig Gedanken um die Zukunft, sofern sie über den nächsten ‚Schuss‘ hinausgeht. Aber es gibt auch diejenigen, die sich eine bescheidene Behausung wünschen, in der sie einfach, aber in Würde und vor allem ohne Angst, wieder auf die Straße gesetzt zu werden, leben können. Sozialer Wohnraum ist Mangelware und ein Problem, das in einer touristisch orientierten Politik nicht gerade oben auf der Liste steht. Ganz unter den Tisch fallen, darf es aber auch nicht. Nicht alle, die im Urlaubsparadies leben, leben auf der Sonnenseite.