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Reguläre Kontrollen, irreguläre Ergebnisse
Auf El Hierro werden die geochemischen Prozesse des Vulkansystems seit 1998 überwacht. Unter anderem werden die Parameter Kohlendioxid und Schwefelsauerstoff untersucht und eine Hochrechnung auf den jährlichen Ausstoß vorgenommen. Der Beobachtungsbereich auf El Hierro umfasst 278 Quadratkilometer und 600 Kontrollpunkte. Das Ergebnis ist, dass derzeit täglich rund 1.500 Tonnen Kohlendioxid von El Hierro aus in die Atmosphäre entweichen. Das liegt über den Durchschnittswerten. Zum Vergleich: Von 1998 bis 2010 wurden dort rund 420 Tonnen CO2 pro Tag gemessen, wobei Werte zwischen 180 und 980 Tonnen als normal gelten. In den Monaten unmittelbar vor und während der jüngsten vulkanischen Eruption kletterte die Ausstoßmenge jedoch auf Spitzenwerte von bis zu 2.200 Tonnen täglich. Ähnlich sieht es derzeit auf Teneriffa auf. Dort ist die Nordostflanke der kritische Punkt des Vulkansystems. Sie wird seit 2001 regelmäßig überwacht. Beobachtet wird ein Umfeld von 210 Quadratkilometern mit 650 Kontrollpunkten. In diesem Jahr wurden über 1.900 Proben genommen. Auch in diesem Fall wurden erhöhte Werte festgestellt. Etwa 140 bis 1.100 Tonnen Kohlendioxidausstoß gelten in Ruhe- oder Zwischenphasen als normal. In der Regel liegt der Durchschnittswert bei 400 Tonnen CO2 pro Tag. Derzeit erreicht er allerdings etwa 1.300 Tonnen täglich. Punktuelle Spitzenwerte über 1.100 Tonnen wurden auch 2007 sowie während der letzten vier Jahre festgestellt. Auf La Palma wurden aktuell durchschnittlich 800 Tonnen gemessen, was durchaus im Rahmen der Normalwerte zwischen 170 und 1.200 Tonnen liegt. In den Jahren 2011 und 2013 wurde der Ausstoß von Kohlendioxid dort auf etwa 1.500 Tonnen täglich geschätzt.
Was bedeutet das?
Diese Kohlendioxidwerte sind für den Menschen nicht gefährlich. Sie verflüchtigen sich rasch und sind weder spür- noch riechbar. In der Atmosphäre bleiben sie natürlich als Treibhausgas vorhanden. Sie zu überwachen, dient hauptsächlich wissenschaftlichen Zwecken, die auf der Basis gesammelter Daten Frühwarnsysteme entwickeln. Dennoch ist es interessant, dass gerade in diesem Jahr der gehäuften Algenteppiche auch die Messwerte überdurchschnittlich hoch sind. Möglicherweise fungiert das Kohlendioxid als eine Art Dünger für die Algenteppiche. Einen eventuellen Zusammenhang sehen nicht nur kanarische Wissenschaftler aus den Bereichen Vulkanologie und Meeresbiologie, sondern auch die NASA. Sie beobachtet Blüten durch Cyanobakterien über das Projekt Modis und kam ebenfalls zum Schluss einer möglichen direkten Relation zwischen beiden Aspekten. Anlass war ein Ausbruch 2006 in Tonga im Südwestpazifik, verbunden mit Algenteppichen. Erstmals gibt es derzeit eine wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen der NASA und dem Institut für Tropenmedizin und öffentliche Gesundheit der Universität La Laguna, ULL. Die jungen Biologinnen Cristina González und Nuría Teigell beschäftigen sich schon seit Längerem mit dem Wetterphänomen Calima, mit dem der Wüstensand aus der Sahara auf die Kanaren kommt. Diese beiden konzentrieren sich dabei allerdings auf die viralen und bakteriellen Komponenten. Der nährstoffreiche Sand ist unter anderem wichtiger Dünger für die Regenwälder auf der anderen Seite des Atlantiks. Warum nicht auch für Algenteppiche? Die NASA interessiert sich gezielt für den Aspekt, ob sich der Calima-Sand negativ auf die Gesundheit der Amerikaner auswirkt. Es ist das erste Mal, dass die NASA konkret mit tinerfenischen Wissenschaftlern zusammenarbeitet. Auch der Leiter des Instituts Basilio Valladares ist eingebunden. Außerdem erfassen die bisher genannten Daten nicht, was im Meer geschieht und möglicherweise ebenfalls Einfluss nimmt. Immerhin gab es im August mehrere kleine Beben zwischen Gran Canaria und Teneriffa sowie bei Fuerteventura. Sie stehen nicht zwingend in einem Zusammenhang mit den Algen, aber ausgeschlossen ist es auch nicht. Konkretere, multidisziplinäre Forschungen in diesem Bereich, die den Zusammenhang belegen, gibt es noch nicht, wären aber wünschenswert.